Dieser Fall warf die Frage auf, ob ein Arzt in einem Erbschaftsstreit zur Aussage verpflichtet war.

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Nach dem Tod der Mutter entfachte sich ein Streit der beiden Kinder um das Erbe. Der Streit mündete im Verfahren vor dem Landgericht Trier. Umstritten war im Verfahren die Frage, ob die Mutter umfassend pflegebedürftig war, wie die Tochter behauptete. Sie trug vor, sie habe die Mutter gepflegt und daher stünde ihr ein Ausgleichsanspruch zu. Um die Pflegebedürftigkeit zu klären, wurde der Arzt als Zeuge vernommen. Dieser verweigerte aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht die Aussage. Das Landgericht ließ das zu. Dagegen legte die Tochter Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht gab der Beschwerde statt. Es führte aus, dass der Arzt grundsätzlich auch nach dem Tod an die ärztliche Schweigepflicht gebunden sei. Jedoch sei dabei stets zu prüfen, ob der Verstorbene zu Lebzeiten erklärt habe, dass der Arzt schweigen oder Angaben machen soll. Gibt es eine solche Äußerung des Verstorbenen nicht, kommt es auf den mutmaßlichen Willen an.

Dabei stünde dem Arzt eine weitgehende Entscheidungsbefugnis zu, ob der Verstorbene eine Entbindung von der Schweigepflicht gebilligt hätte oder nicht. Bei einer Weigerung des Arztes zu einer Aussage, müsse dieser die einzelnen Punkte darlegen, auf die er sich in seiner Entscheidung gestützt hat. Dies ist nicht erfolgt. Daher hat das Oberlandesgericht den mutmaßlichen Willen selbst geprüft.

Dabei kam es zu dem Schluss, dass die Verstorbene eine Entbindung von der Schweigepflicht gebilligt hätte. Es ist anzunehmen gewesen, dass diese die gerechte Regelung bezüglich ihres Nachlasses gewollt hat. Daher hätte sie mutmaßlich alles Erforderliche zur Klärung der Streitigkeiten gebilligt.

Dem Arzt stand daher kein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu.

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 23. 10.2015 – 12 W 538/15