Storch

Ein niedriger Anti-Müller-Hormon-Wert (AMH-Wert) bewahrt eine über 40 Jahre alte Frau nicht vor einer Schwangerschaft. Weist ein Gynäkologe die Frau auf die begrenzte Aussagekraft des AMH-Wertes hin und unterlässt die Frau nach Bekanntwerden eines AMH-Wertes von weniger als 0,1 die weitere Empfängnisverhütung, haftet der Gynäkologe nicht für eine spätere – ungewollte – Schwangerschaft der Frau. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23.02.2018 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 07.05.2017 bestätigt.

Die Klägerin aus dem Kreis Minden-Lübbecke ist Mutter dreier vor dem Jahr 2000 geborenen Kinder. Von ortsansässigen Gynäkologen verlangt sie Schadensersatz aufgrund einer ungewollten Schwangerschaft. Nach dieser brachte die Klägerin im Alter von 45 Jahren Ende des Jahres 2012 einen weiteren Sohn zur Welt.

Nachdem die Klägerin über zehn Jahre die Antibabypille eingenommen hatte, begehrte sie im Frühjahr 2012 die Bestimmung des AMH-Wertes, wobei die Parteien darüber streiten, ob die Klägerin über die Bedeutung des Wertes zutreffend aufgeklärt wurde. Einige Wochen nach dem Gespräch über den Test erfuhr die Klägerin, dass ihr AMH-Wert unter 0,1 liege und entschloss sich dazu, die Antibabypille abzusetzen. Eine andere Art der Empfängnisverhütung unterließ sie und wurde in der Folgezeit – ungewollt – schwanger.

Für die aus Sicht der Klägerin behandlungsfehlerhaft eingetretene Schwangerschaft verlangt sie von den beklagten Gynäkologen ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro und Ersatz von Unterhaltsschäden bis zur Volljährigkeit des Kindes.

Die Schadensersatzklage hatte keinen Erfolg. Ebenso wie das Landgericht konnte auch der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm keine fehlerhafte Behandlung der Klägerin durch die beklagten Gynäkologen feststellen.

Über die Aussagekraft des AMH-Wertes sei die Klägerin nicht falsch informiert worden, so der Senat.

Ausweislich der glaubhaften Aufzeichnungen in den Behandlungsunterlagen der Beklagten sei die Klägerin bei dem ersten Gespräch über den AMH-Test von dem sie behandelnden Gynäkologen auch auf die Unsicherheit des Tests und die Notwendigkeit weiterer Verhütung hingewiesen worden.

Dass ihr zu einem späteren Zeitpunkt – bei der Bekanntgabe ihres AMH-Wertes – von einer Mitarbeiterin der Beklagten fälschlicherweise mitgeteilt worden sei, dass sie bei dem festgestellten Wert nicht mehr verhüten müsse, sei nicht bewiesen.

Die beklagten Gynäkologen seien auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin von sich aus nach dem Erhalt des AMH-Wertes (erneut) über dessen geringen Aussagewert und das Erfordernis weiterer Verhütung aufzuklären. Ihre Aufklärung in dem ersten Gespräch sei ausreichend gewesen. In dieser Situation sei von einem behandelnden Gynäkologen kein weiteres eigenständiges Nachfragen bei einer Patientin zu verlangen. Die Entscheidung, ob sie weiterhin Verhütung betreiben oder diese unterlassen wolle, habe allein der Klägerin oblegen. Es sei daher ihre Sache gewesen, dem behandelnden Gynäkologen von sich aus ggfls. weitere Fragen zu stellen.

Landgericht Bielefeld, Urteil vom 07.05.2017, AZ: 4 O 49/14
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.02.2018, AZ: 26 U 91/17
nicht rechtskräftig, die Klägerin hat Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt, AZ: BGH VI ZR 153/18

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgericht Hamm vom 19.06.2018