Eine Intersexuelle klagte gegen das Klinikum Erlangen und den dort beschäftigten Arzt wegen falscher ärztlicher Behandlung. Sie warf den Beklagten vor, man habe sie bei Beginn der Behandlung mit damals 20 Jahren, nicht über ihre sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechtsanteile aufgeklärt. Die Intersexuelle sei durch den behandelnden Arzt einer dem weiblichen Geschlecht zuweisenden Therapie unterzogen worden, die erhebliche gesundheitliche Folgen gehabt habe. Dadurch sei ihr verwehrt worden, sich als Mann therapieren oder nicht einem Geschlecht zuordnen zu lassen. Wäre sie ordnungsgemäß über ihren Zustand aufgeklärt worden, hätte sie nicht in eine Behandlung eingewilligt.
Die Beklagten tragen vor, sie haben sich an die ärztlichen Lehrbücher gehalten, welche damals eine frühzeitige Geschlechtszuordnung vorsahen und von einer „radikalen“ Aufklärung zum Schutz des Patienten abgeraten haben.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth gab der Schadensersatzklage der Intersexuellen statt. Zwar läge kein Behandlungsfehler als solcher vor. Jedoch sei die feminisierende Operation von 1995 wegen fehlender wirksamer Einwilligung rechtswidrig gewesen. Eine wirksame Einwilligung setze eine ordnungsgemäße Aufklärung über den gesundheitlichen Zustand des Patienten voraus. Dies sei hier nicht erfolgt. Die Ärzte wären verpflichtet gewesen, einen Erwachsenen über seine Intersexualität aufzuklären und darüber hinaus die Folgen und Ursachen des Zustandes zu erläutern. Da dies nicht erfolgte, war es der Intersexuellen nicht möglich, die Tragweite der feminisierenden Operation zu erkennen.
Aus alledem stünde ihr dem Grunde nach ein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegen die Klinik zu. Der operierende Arzt hafte jedoch nicht für die mangelhafte Aufklärung durch das Klinikum.
LG Nürnberg-Fürth, 17.12.2015
4 O 7000/11