Abschiebung

Eine durch Frauenverachtendes Weltbild geprägte Einstellung des Täters ist nicht mit dem Grundgesetz und Verständnis der Geschlechterrollen in Deutschland in Einklang zu bringen

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz hat entschieden, dass die Ausweisung eines in Deutschland aufgewachsenen Ausländers aus generalpräventiven Gründen wegen einer schweren Sexualstraftat, die Ausdruck einer durch ein Frauenverachtendes Weltbild geprägten Einstellung, rechtmäßig ist. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Bei dem Kläger handelt es sich um einen türkischen Staatsangehörigen, der im Alter von 7 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland eingereist ist. Nach seiner Festnahme im Jahr 2012 wurde er durch das Landgericht Mainz wegen schweres sexuellen Missbrauchs einer widerstandunfähigen Person in Tateinheit mit Aussetzung rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren verurteilt, die er auch vollständig verbüßte. Nach der strafgerichtlichen Feststellung hatten der damals 19-jährige Kläger und zwei weitere junge Männer eine 16-jährige Bekannte unter Alkohol gesetzt und in ein Parkhaus verbracht. Dort wurde das inzwischen willenlose Mädchen vom Kläger sexuell missbraucht und von einem der Mittäter so schwer am Unterleib verletzt, dass es operiert werden musste und eine weitere Operation nach 18 Monaten erforderlich war. Die Täter ließen das unbekleidete und stark blutende Oper im Parkhaus zurück.

Kläger aus generalpräventiven Gründen ausgewiesen

Mit Bescheid vom 02.06.2017 wies der Beklagte Rhein-Lahn-Kreis den Kläger primär aus generalpräventiven Gründen aus und lehnte eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab. Seine hiergegen erhoben Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung und lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab.

Schwere und Motivation für begangene Tat lassen Ausweisung erforderlich erscheinen

Das Verwaltungsgericht habe zutreffend angenommen wegen der vom Kläger begangenen Straftat bestehe hier ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, dem kein gleichwertiges Bleibe-Interesse gegenüber stehe. Generalpräventive Gesichtspunkte könnten ein Ausweisungsinteresse begründen, wenn damit gerechnet werden könne, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhielten. Die Schwere der vom Kläger begangenen Tat und vor allem die Motivation für diese ließen die Ausweisung als erforderlich erscheinen, um andere Ausländer in vergleichbarer Situation von ähnlichen Delikten abzuhalten. Die besondere Brutalität der Tat ergebe sich aus den Feststellungen des rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils.

Ausweisung zur Verhinderung weiterer schwerer Straftaten erforderlich

Unter generalpräventiven Gesichtspunkten von besonderer Bedeutung ist das Geschehen im Vorfeld der Tat, insbesondere die sich daraus ergebende Einstellung der Täter. Nach den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils kannten die Täter das Opfer, das wie sie einen türkischen bzw. kurdischen Migrationshintergrund aufwies. Die 16-jährige habe allerdings westliche Wertvorstellungen angenommen. Sie habe sich nach westlicher Mode gekleidet und geschminkt und sei ohne Begleitung ausgegangen. Allein dies habe sie, nach dem Welt- und Frauenbild der Täter, bereits als zu verachtende “Schlampe, die es mit jedem und gerne auch mit mehreren Männern gleichzeitig treibe“ qualifiziert. Aus diesem Grund hatten die Jugendlichen sie als Opfer gewählt. Diese Einstellung zeuge von einem archaischen Frauenbild, welches mit dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Verständnis von der Rolle der Geschlechter nicht in Einklang zu bringen sei. Danach sind Männer und Frauen gleichberechtigt und die Würde der Menschen ist unantastbar, gleich ob es sich um Männer oder Frauen handle. Diese Rechte bildeten den Rahmen, der das deutsche Recht für den selbstbestimmten Umgang der Geschlechter miteinander vorsehe. Damit ist die Vorstellung, Frauen mit westlich geprägtem Auftreten stünden ohne Weiteres für sexuelle Handlungen zur Verfügung, nicht vereinbar. Es ist Aufgabe des Rechts der Gefahrenabwehr – und damit des Ausweisungsrechts nach dem Aufenthaltsgesetz – zu verhindern, dass eine solche, nicht an die Gleichberechtigung von Mann und Frau ausgerichtete Vorstellungen Ausländer, die sich nicht an den Wertvorstellungen des Grundgesetzes orientieren zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verleite. Vor diesem Hintergrund ist die Ausweisung des Klägers zur Verhinderung weiterer schwerer Straftaten erforderlich, indem einer Vielzahl von jungen Männern verständlich werde, dass der deutsche Staat nicht nur Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bestrafe, sondern auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergreife. Im Übrigen würden die generalpräventiven Gesichtspunkte für das Interesse an der Ausweisung auch durch spezialpräventive Gründe gestützt.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.10.18, AZ: 7 A 10866/18.OVG